Entwicklung und Bildung von Kindern stellen ein in hohem Maße individuelles Geschehen dar: Kinder entfalten spezielle Interessen und Bedürfnisse, beschreiten ihre eigenen Wege des Denkens, Verstehens und Lernens und entwickeln spezifische Deutungs- und Ausdrucksformen. Pädagogisches Handeln im Kindergarten stützt sich deshalb wesentlich auf die aufmerksame Beobachtung des einzelnen Kindes und auf die Dokumentation seiner Entwicklungs-, Lern- und Bildungsprozesse. Grundlegend ist eine Haltung der achtungsvollen Zuwendung und des Respekts.
Die Ziele von Beobachtung und Dokumentation sind:
- die Sichtweise des Kindes, sein Befinden, Erleben und Verhalten besser zu verstehen;
- Einblick zu gewinnen in den Verlauf und das Ergebnis von Entwicklungs- und Bildungsprozessen;
- pädagogische Angebote auf das einzelne Kind und dessen spezifische Voraussetzungen und Neigungen abzustimmen;
- die Wirkungen pädagogischer Angebote systematisch zu reflektieren;
- mit den Kindern in einen Dialog über ihre Entwicklungs- und Lernprozesse einzutreten und sie auf ihrem Weg zum eigenständigen, selbst gelenkten Lernen zu unterstützen;
- sich mit den Kolleginnen und Kollegen über Entwicklung und Lernen von Kindern auszutauschen, die Beobachtungen zu reflektieren und bei der Begleitung der Kinder zu kooperieren;
- auf der Basis der Dokumentation von Entwicklungs- und Lernprozessen mit den Eltern ins Gespräch zu kommen und im Sinne der Bildungspartnerschaft zusammenzuarbeiten;
- Qualität und Professionalität pädagogischer Arbeit darzustellen und sichtbar zu machen;
- mit den Fachdiensten, Kindertagesstätten und Schulen zusammenzuarbeiten.
3.2.1 Grundsätze der Beobachtung und Dokumentation
Pädagogische Fachkräfte erfassen, wie sich das einzelne Kind im Kindergarten entwickelt, wie sein Bildungsprozess verläuft, wie es pädagogische Angebote nutzt. Beobachtung und Dokumentation erfolgen gezielt und regelmäßig. Sie weisen einen inhaltlichen Bezug auf zur Konzeption des Kindergartens und zu den in den Rahmenrichtlinien angeführten Zielen, Kompetenzen und Bildungsfeldern und orientieren sich primär an den Bedürfnissen, Stärken und Interessen von Kindern.
Beobachtung und Dokumentation sind grundsätzlich auf Teilhabe angelegt, beziehen die Perspektiven von Kindern und Eltern ein. Kinder und Eltern sind aktive Teilnehmer am Beobachtungs- und Dokumentationsprozess und an den sich daraus ergebenden Planungs- und Handlungsschritten.
Die reguläre Beobachtung für jedes Kind wird unterschieden von dem Vorgehen und den Verfahren, die der Beobachtung mit spezifischen Zielsetzungen dienen, z.B. denen zur Erkennung von Entwicklungsauffälligkeiten.
3.2.2 Methoden der Beobachtung und Dokumentation
Angesichts der Vielschichtigkeit kindlicher Entwicklungs- und Lernprozesse, der Vielfalt pädagogischer Ansätze und Konzepte und der Unterschiedlichkeit der Zielsetzungen und Nutzungsebenen von Beobachtungen ist es notwendig, unterschiedliche Verfahren der Beobachtung und Dokumentation zu beachten. Grundsätzlich werden folgende drei Ebenen berücksichtigt:
- freie Beobachtungen: situationsbezogene Verhaltensbeschreibungen, erzählende Berichte, Lerngeschichten
- Produkte oder Ergebnisse kindlicher Aktivitäten: Zeichnungen, Skizzen, Schreibversuche, Fotos von Bauwerken, Aufzeichnungen von Gesprächen, Kommentare oder Erzählungen von Kindern
- strukturierte Formen der Beobachtung: Bögen mit standardisierten Frage- und Antwortrastern.
Jede dieser drei methodischen Ebenen hat spezifische Stärken und Schwächen. Erst aus ihrer Zusammenschau lässt sich ein umfassendes, tragfähiges und aussagekräftiges Bild von der Entwicklung und vom Lernen eines Kindes gewinnen.
Bei der Auswahl konkreter Beobachtungsverfahren wird darauf geachtet, dass die tatsächlich eingesetzten Verfahren Qualitätskriterien genügen und dem aktuellen Forschungsstand Rechnung tragen.
3.2.3 Gestaltungsformen der Dokumentation
Für die Dokumentation von Entwicklungs- und Bildungsprozessen bieten sich unterschiedliche Formen an: Tagebuch, Lerntagebuch, Ich-Buch, Mappe, Portfolio. Die gewählte Dokumentationsform ist ein persönliches Dokument des Kindes und begleitet es während der Zeit im Kindergarten.
Die Arbeit mit geeigneten Dokumentationsinstrumenten steht im engen Zusammenhang mit dem individualisierten Bildungsplan des Kindes. Sie wird vom Team der pädagogischen Fachkräfte in Zusammenarbeit mit der Familie und dem Kind erbracht. Der individuelle Bildungsplan wird auf der Grundlage der Rahmenrichtlinien, der Kindergartenkonzeption und der individuellen Ausgangslage für jedes Kind erstellt.
Ziel der Dokumentationspraxis ist es, die Kinder in ihrer Entwicklung, ihrem Lernen und ihrer Eigenständigkeit zu unterstützen. Kinder können mit Hilfe der Dokumentation ihre Lernschritte und ihre Lernerfahrungen reflektieren, dokumentieren, sich selbst Ziele setzen und das weitere Lernen planen.
3.2.4 Reflexion und Evaluation
Die Weiterentwicklung pädagogischer Qualität ist eine permanente Aufgabe. Die pädagogische Qualität und die Bildungsqualität von Kindergärten werden deshalb systematisch evaluiert. Primäres Ziel von Evaluation ist die Weiterentwicklung des pädagogischen Handelns zur Steuerung der Qualitätsentwicklung.
Evaluierungsmaßnahmen überprüfen vor allem das pädagogische Angebot der Kindergärten und dessen Auswirkungen auf die Kinder. Im Kontext der Implementierung der Rahmenrichtlinien wird auch die Leistungsfähigkeit des Systems Kindergarten insgesamt ins Blickfeld gerückt.
Je nach Fragestellung und Zielsetzung kommen unterschiedliche Evaluationsmethoden zum Einsatz. Methodenvielfalt hat Priorität. Selbst- und Fremdevaluation reagieren angemessen auf den pädagogischen Prozess. Die eingesetzten Evaluationsinstrumente genügen einschlägigen fachlichen Standards und berücksichtigen die Rahmenrichtlinien des Landes, das Leitbild der Kindergartendirektion (soweit dieses im Einklang mit den Rahmenrichtlinien des Landes steht) und die pädagogische Konzeption des Kindergartens. Bei der Durchführung von Fremdevaluations-maßnahmen sind fachliche Kompetenz der Evaluatoren und Evaluatorinnen von zentraler Bedeutung.