(1) Eine Maßnahme weicht vollständig von der Baugenehmigung ab, wenn damit ein Bauwerk errichtet wird, dessen Charakteristik, Baumassenverteilung oder Nutzung überhaupt nicht mit den in der Baugenehmigung angegebenen übereinstimmt, oder wenn Baumasse über die im Projekt angegebenen Grenzen hinaus geschaffen wird und dadurch ein relevantes, unabhängig nutzbares Bauwerk oder Bauwerkteil entsteht.
(2) Stellt die zuständige Aufsichtsbehörde fest, dass Maßnahmen ohne Baugenehmigung, vollständig davon abweichend oder mit wesentlichen Änderungen laut Artikel 84 durchgeführt wurden, fordert sie ─ außer bei Maßnahmen zur baulichen Umgestaltung, auf die die Verfahren laut Artikel 90 anzuwenden sind ─ den Eigentümer und die gemäß Artikel 87 für das Vergehen Haftenden zur Beseitigung oder zum Abbruch und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes auf, wobei sie in der Maßnahme die Fläche angibt, die im Sinne von Absatz 3 von Rechts wegen übereignet wird.
(3) Wenn der Eigentümer/die Eigentümerin oder der/die für das Bauvergehen Haftende nicht innerhalb von 90 Tagen ab Zustellung der Aufforderung - diese Frist kann auf begründeten Antrag des/der Betroffenen um weitere 30 Tage verlängert werden - den Abbruch und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes vornimmt, gehen das Gut, die überbaute Fläche sowie jene Fläche, die laut den Raumordnungsvorschriften für ein gleiches Bauwerk wie das widerrechtlich errichtete erforderlich wäre, von Rechts wegen unentgeltlich in das verfügbare Vermögen der Gemeinde über. Die übereignete Fläche muss die unabhängige Verwendung des Gutes gewährleisten, darf jedoch höchstens zehn Mal größer als die widerrechtlich errichtete Nutzfläche sein.
(4) Der Verwaltungsakt, mit dem festgestellt wird, dass die Abbruchsaufforderung nicht innerhalb der in Absatz 3 genannten Frist befolgt wurde, enthält genaue Angaben zu der zu übereignenden Fläche, auch die genauen Katasterdaten, und ist, sobald er dem/der Betroffenen zugestellt worden ist, Rechtstitel für die Übereignung und für die unentgeltliche Eintragung ins Grundbuch.
(5) Nach Feststellung der Nichtbefolgung verhängt die Aufsichtsbehörde eine Geldbuße, deren Höhe je nach Schwere des Vergehens zwischen 2.000,00 Euro und 20.000,00 Euro liegt; allfällige andere gesetzlich vorgesehene Maßnahmen und Sanktionen bleiben aufrecht.
(6) Auf Anordnung der Aufsichtsbehörde wird das übereignete Bauwerk auf Kosten der für das Vergehen Haftenden abgebrochen, sofern nicht mit Gemeinderatsbeschluss erklärt wird, dass bedeutende öffentliche Interessen bestehen, was aber nur möglich ist, wenn das Bauwerk nicht zu relevanten Raumordnungs-, Umwelt- oder hydrogeologischen Interessen in Widerspruch steht.
(7) Bei widerrechtlichen Maßnahmen auf Grundstücken, die durch Staatsgesetze mit absolutem Bauverbot belegt sind, erfolgt die unentgeltliche Übereignung bei Nichtbeachtung der Abbruchsaufforderung von Rechts wegen auf die Verwaltungen, die für die Aufsicht über die Einhaltung dieser Bindung zuständig sind. Diese Verwaltungen sorgen für den Abbruch der widerrechtlich errichteten Bauwerke und für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes auf Kosten der für das Bauvergehen Haftenden. Falls mehrere Bindungen gleichzeitig bestehen, erfolgt die Übereignung in das Vermögen der Gemeinde.
(8) Bei widerrechtlichen Maßnahmen auf Grundstücken, die durch Landesgesetze, durch Vorgaben der Raum- oder Landschaftsplanungsinstrumente oder durch Fachpläne mit absolutem Bauverbot belegt sind, erfolgt die unentgeltliche Übereignung bei Nichtbeachtung der Abbruchsaufforderung auf die Gemeinde, die auf Kosten der für das Vergehen Haftenden für den Abbruch sorgt.
(9) Handelt es sich um Erweiterungsarbeiten an rechtmäßig bestehenden Liegenschaften oder um Bauwerke, die auf einem Baulos, das zu Gebäuden mit einer Fläche von höchstens 30 m² gehört, errichtet werden, sorgt die Aufsichtsbehörde bei Feststellung der Nichtbeachtung der Abbruchsaufforderung nur für den Abbruch und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes auf Kosten der für das Bauvergehen Haftenden, nicht aber für die Übereignung der Fläche. Damit der Abbruch durchgeführt werden kann, ordnet die Aufsichtsbehörde zugleich mit der Abbruchsmaßnahme die zeitweilige Besetzung der zur Ausführung der Arbeiten erforderlichen Fläche an und legt die entsprechende Dauer fest, die bei begründetem Bedarf verlängert werden kann; nach Beendigung der Arbeiten wird die Fläche den Anspruchsberechtigten zurückgegeben.
(10) Dieser Artikel wird auch auf nicht fertiggestellte Bauten angewandt, für die die Baugenehmigung gemäß Artikel 75 verfallen ist, wenn dafür keine neue Baugenehmigung innerhalb der Frist laut Artikel 75 Absatz 4 beantragt wurde. Dieselbe Wirkung tritt ein, wenn die nicht vollendeten Arbeiten nicht mehr zulässig sind bzw. wenn der Antrag auf Ausstellung der neuen Baugenehmigung abgelehnt wird.